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"Für eine solidarische Gesundheitspolitik" - Achim Kessler (LINKE) im Interview

WAHL-SPEZIAL mit den gesundheitpolitischen Sprecherinnen und -sprechern der Parteien und Fraktionen


Die Linkspartei tritt regelmäßig mit Grundatzkritik am gegenwärtigen Gesundheitswesen hervor. Mit welchen Forderungen und Lösungsvorschlägen die Partei im aktuellen Wahlkampf antritt, erklärt der Gesundheitsexperte der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, Achim Kessler.


krankenkasseninfo.de: Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen ist durch GroKo-Reformen und Corona in eine Krise geraten. Trotz Milliardentransfairs aus Steuermitteln drohen deutlich höhere Beiträge. Was fordert die LINKE, um dies zu verhindern?

Achim Kessler: DIE LINKE will eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung einführen, in der auch die heute Privatversicherten überführt werden. Es werden alle Einkommensarten und -höhen gleichermaßen herangezogen. Wir haben nachgewiesen, dass dadurch die Beitragssätze für die unteren 90 Prozent der Versicherten gesenkt werden können. Die höheren Einnahmen in der Pflegeversicherung sollen zur dringend erforderlichen Leistungsverbesserung für Versicherte und für höhere Löhne beim Pflegepersonal eingesetzt werden.

krankenkasseninfo.de: Mit hohem Tempo wird im Gesundheitswesen derzeit die Digitalisierung durchgesetzt. In einer zentralen Gesundheitsdatenbank sollen unverschlüsselte Daten von Millionen Versicherten abgelegt werden – zum Teil auch ohne deren Zustimmung. Wie engagiert sich die Linke für mehr Datenschutz in der Gesundheitspolitik?

Achim Kessler: Die Digitalstrategie der Bundesregierung setzt unkritisch auf kommerzielle Anwendungen, bei denen weder Qualität noch Datenschutz ausreichend geprüft werden. Gesundheitsdaten sind zu einer begehrten Ware geworden, sind stark missbrauchsgeeignet und deren Weiterverwendung kann nicht ausgeschlossen werden. Wir lehnen Forderungen nach Aufweichung des Selbstbestimmungsrechts ab. Für sinnvolle Forschung mit Gesundheitsdaten in öffentlichem Interesse fordert DIE LINKE besondere Schutzmechanismen, insbesondere Anonymisierung und Beschränkung der Zugriffsrechte mit Blick auf kommerzielle Interessen.

krankenkasseninfo.de: Die Konkurrenz unter den Krankenkassen läuft wieder stärker über den Beitragssatz, denn für neue Extraleistungen oder Bonuszahlungen geht das Geld aus. Wie steht die LINKE zur bestehenden Zahl der Krankenkassen und dem Wettbewerb?

Achim Kessler: Der Wettbewerb setzt für Krankenkassen Anreize Geld zu sparen. Allerdings an den falschen Stellen. Es wird gespart, indem Versicherten berechtigte Leistungen verwehrt werden. Und es wird gespart, indem Leistungsvergütungen so niedrig gehalten werden, dass zu wenige Pflegekräfte eingestellt und fair bezahlt werden können. Andererseits führt der Wettbewerb zu stetig steigenden unnötigen Werbeausgaben der Kassen. Diese haben sich zwischen 1995 und 2016 auf 193,6 Millionen Euro verdreifacht und betragen inzwischen 222 Millionen Euro. Der Wettbewerb setzt eine falsche Orientierung, nämlich auf das Finanzielle anstatt der Gesundheit.

krankenkasseninfo.de: In Brandenburg trat die mitregierende LINKE als erstes für eine gesetzliche Pflichtimpfung ein – wenig später folgte das Masernschutzgesetz der Großen Koalition auf Bundesebene und die Corona-Pandemie. Wie steht die LINKE zum Grundsatz der Freiwilligkeit bei Impfungen?

Achim Kessler: In der LINKEN treffen unterschiedliche Erfahrungen aufeinander, deren gegenseitige Anerkennung und Aushandlung das demokratische Miteinander fördert. Die Impfpflicht wurde von vielen DDR-Bürger*innen als Aspekt der staatlichen Versorgung geschätzt, doch auch in der BRD gab und gibt es Impfpflichten, etwa im Beruf. DIE LINKE spricht sich dagegen aus, dass eine Impfung von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie Zugangsvoraussetzung für Bildungseinrichtungen ist. Studien weisen darauf hin, dass eine Corona-Impflicht kontraproduktiv wirken würde und Aufklärung sowie Freiwilligkeit zentral sind.

krankenkasseninfo.de: Der Antrag der Linksfraktion auf Aussetzung von Impfstoffpatenten wurde von keiner weiteren Partei im Bundestag befürwortet. Wie erklären sie sich diese ablehnende Haltung zu einem Schritt, der doch ein deutlich höheres Impftempo ermöglichen würde?

Achim Kessler: Bei der namentlichen Abstimmung stimmten Bundestagsabgeordnete fast sämtlicher Parteien für den Antrag der LINKEN (Drucksache 19/25787), dass das Ziel verfolgt, durch Lizenzvergabe und Technologietransfer die Impfstoffherstellung global anzukurbeln. Doch die Bundesregierung schützt weiter die Interessen der Konzerne und blockiert die Initiative auf Patentverzicht bei der Welthandelsorganisation. DIE LINKE kämpft mit zivilgesellschaftlichen Bewegungen und Regierungen von Ländern des Globalen Südens konsequent für Menschenleben vor Profite. Denn die Pandemie ist erst vorbei, wenn sie überall vorbei ist.

krankenkasseninfo.de: Die LINKE kritisiert immer wieder die Existenz eines privaten Gesundheitssektors, der seit Jahren größer wird, während öffentliche Standorte zusammengelegt oder geschlossen werden. Was wäre außer Grundsatzkritik zu tun, um kommunale Kliniken und andere bedrohte Gesundheitsstandorte zu erhalten?

Achim Kessler: Medizinische Entscheidungen müssen frei von kommerziellen Zwängen und zum Nutzen der Patient*innen getroffen werden. DIE LINKE unterstützt Initiativen von Ärzt*innen, die sich gegen betriebswirtschaftliche Vorgaben wenden. Um die jahrzehntelange Bevorteilung privater Krankenhausträger zu beenden, muss der Bund u.a. einen Fonds aufsetzen, mit dem Kommunen und Länder die Krankenhäuser wieder zurück in öffentliche und gemeinnützige Trägerschaft holen können. Ebenso muss die volle Finanzierung der Investitionen durch die Bundesländer mit einem Investitionsfonds des Bundes unterstützt werden.

krankenkasseninfo.de: Mehrere Parteien im Bundestag wollen die Private Krankenversicherung von Grund auf ändern oder sogar abschaffen. Wollen oder kommen sie dann an die Regierung, ist davon nicht mehr die Rede. Wie ernst ist es der LINKEN mit der Bürgerversicherung?

Achim Kessler: Das duale Versicherungssystem ist aus unserer Sicht nur historisch zu erklären, nicht aber aus Sicht eines effizienten, patient*innenorientierten und gerechten Systems. DIE LINKE setzt sich für eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung ein, in der alle Menschen in Deutschland Mitglied sind. Würde die Privatversicherung nicht abgeschafft, dann könnten sich die oberen 10 Prozent der Versicherten weiter der Solidarität entziehen. Nur durch eine solidarische Beteiligung aller können die finanzielle Grundlage für eine gute Versorgung und gute Arbeitsbedingungen nachhaltig gesichert werden.



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