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Rede von Achim Kessler auf der sozialpolitischen Tagung der Fraktion DIE LINKE im hessischen Landtag



Achim Kessler - Sozialforum Frankfurt am Main

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde,

liebe Genossinnen und Genossen


auch ich begrüße Sie und euch herzlich zu unserem Sozialforum!

Hessen gilt als reiches Bundesland. Im Jahr 2015 wurde in Hessen ein Brut­toinlandsprodukt von rund 43.000 Euro je Einwohner erwirtschaftet. Hessen liegt damit 6.000 Euro über dem gesamtdeutschen Wert von rund 37.000 Euro. Damit gehört es zu den Spitzenreitern unter den deutschen Flächenländern. In Hessen leben überdurchschnittlich viele Menschen mit hohem Einkommen und hohem Vermögen, unter ihnen auch viele Millionäre. Hessen hat mindestens 1.400 Einkommensmillionäre.

Trotzdem, nein, gerade deshalb müssen wir über Armut in Hes­sen reden. Denn Armut und Reichtum, das sind zwei Seiten derselben Medaille.


Seit 2005 ist die Armutsrisikoquote in Hessen von 15,3 auf 16,5 Prozent gestie­gen. Arbeitslose sind am stärksten von Armut betroffen. Den relativ niedrigen Arbeitslosenzahlen steht ein massiver Anstieg im Niedriglohnsektor gegenüber. Das waren im Jahr 2013 17,2 Prozent der Beschäftigten.


Auch alte Menschen sind stärker von Ar­mut betroffen, Frauen mehr als Männer. Die Armutsquote bei hessischen Frauen liegt bei 19,4 Prozent bei den 80jährigen und Älteren. Auch in Hessen entscheidet die soziale Herkunft viel zu häufig über die Bildungsverläufe von Kindern.


Als Obmann der LINKEN im Gesundheitsausschuss des Bundestags möchte ich im Besonderen auch auf das Thema Gesundheit und soziale Lage eingehen.

Es ist schon lange bekannt, dass es einen Zusammenhang zwischen sozialer Situa­tion und Gesundheitszustand gibt. Studien haben gezeigt, dass Reiche eine höhere  Lebenserwartung als Arme haben. Reiche Frauen leben 8,4 Jahre länger als arme. Bei den Männern liegt der Unterschied bei mehr als 10 Jahren.


Unterschiede lassen sich auch zwischen ärmeren und reicheren Regionen oder Landkreisen aufzeigen. Ein Beispiel aus dem Sozialbericht: Ein heute geborenes Mädchen im Main-Taunus-Kreis wird 2,2 Jahre länger leben als ein Mädchen im Werra-Meißner-Kreis. Ein Junge, der heute im Main-Taunus-Kreis geboren ist, wird im Mittel 4 Jahre länger leben als ein kleiner Junge, der im Werra-Meißner-Kreis geboren wird.


Für viele chronische Krankheiten konnte gezeigt werden: Je niedriger Einkommen und Bildungsgrad, desto höher ist das Ri­siko, krank zu werden. Umgekehrt gilt: lange Krankheit geht mit einem höheren Armutsrisiko einher.


Wenn wir sagen „Sozial ist, was Armut abschafft“, dann geht es uns um soziale Gerechtigkeit. Es geht uns um eine solidarische Umverteilung. Wer Armut bekämpfen will, muss den Reichen etwas wegnehmen. In diversen europäischen Ländern gibt es eine Vermögenssteuer. In Deutschland nicht. Würde man eine Vermögensteuer von 5 Prozent auf alle Vermögen oberhalb von einer Million Euro erheben, so brächte das Mehreinnahmen von 80 Milliarden Euro im Jahr. Damit könnte viel soziale Gerechtigkeit umgesetzt werden, denn 80 Milliarden sind ein Viertel des Bundeshaushalts.

Ein grundlegender Ansatz im Gesundheitsbereich ist es, Krankheit überhaupt zu verhindern, die durch schlechte Leben- und Arbeitsbedingungen entstehen oder begünstigt werden. Vor ein paar Wochen hatte ich die Gelegenheit, mir das Gesundheitssystem in Kuba anzuschauen. Im kubanischen Gesundheitssystem ist Prävention die Hauptstrategie der Gesundheitspolitik. Das ist nicht nur aus Patientensicht sinnvoll, sondern auch kostengünstig und vor allem erfolgreich. Die Lebenserwartung ist vergleichbar mit der in westlichen Industriestaaten, die Kindersterblichkeit ist geringer als in den USA.


Prävention kann sich nicht alleine darauf beschränken, von den Menschen ein gesundheitsförderliches Verhalten zu fordern und ihnen hierzu Maßnahmen anzubieten, das zu erlernen. Ich will es plakativ formulieren: Was nutzt der alleinerziehenden Mutter von zwei Kindern das Yoga-Kursangebot zum Stressabbau, wenn sie nicht weiß, wie sie den restlichen Monat finanziell über die Runden kommen soll?

Verhältnisprävention heißt: die Lebensverhältnisse und die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass sie der Gesundheit förderlich sind. In diesem Sinne ist die Bekämpfung von Armut auch Prävention.


In krassem Gegensatz dazu steht die Zu­sammenfassung des Sozialberichts durch die Landesregierung. Die Botschaften sind: starker Arbeitsmarkt, Arbeit schafft Wohlstand, überdurchschnittlich hohe Einkommen, geringes Armutsrisiko in Hessen. Sie findet nur wenige Worte für besondere Belastun­gen und soziale Risiken. Entsprechend klopft sie sich bei der Darstellung der be­reits existierenden Maßnahmen zur Ar­mutsbekämpfung auf die Schultern.


Der zweite Landessozialbericht soll, dem Hessischen Sozialminister Stefan Grüttner zufolge, als Grundlage dienen, „um die Öffentlichkeit und Sozialpolitiküber Umfang, Ausmaß und Ursachen von Armut sowie über Möglichkeiten der Armutsbekämp­fung zu informieren und einen öffentli­chen Diskurs hierüber zu initiieren“.

Genau das verweigert die Landesregierung, und genau das holen wir jetzt nach.


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