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Zeichen der Solidarität. Zwangslizenzen für Impfstoffe

Gastkommentar von Achim Kessler in der jungen Welt am 31.12.2020


Die Ablehnung meines Vorschlags, Hersteller von Impfstoffen gegen Covid-19 zur Vergabe von Lizenzen an andere Unternehmen zu zwingen, damit möglichst schnell möglichst viele Menschen geimpft und somit etliche Leben gerettet werden können, ist nahezu einhellig. Natürlich zielt die Forderung nach Aufhebung des Patentschutzes nicht primär darauf ab, die deutsche Wirtschaft zu stärken, sondern darauf, die Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoffen zu sichern. Und zwar explizit nicht nur die deutsche Bevölkerung. Bezeichnend die Reaktion der gesundheitspolitischen Sprecherin der FDP, diese Idee müsse schnell wieder aus der Welt verschwinden. Ich hoffe das nicht, denn dies wäre auch international ein Zeichen der Solidarität.


Dass die Pharmaindustrie über diesen Vorstoß tobt, ist kein Wunder. Immerhin steht mit der Forderung nach Zwangslizenzen für Impfstoffe das Geschäftsmodell auch prinzipiell in Frage, mit dem Leben oder Tod von Menschen Geld zu verdienen. Auch die Bundesregierung und Gesundheitsminister Spahn lehnen die Idee mit schwachen, vorgeschobenen Argumenten ab – die Produktion des RNA-Impfstoffs der Firma Biontech sei zu kompliziert, um von anderen Firmen übernommen zu werden. Das ist offensichtlich Unsinn: Biontech übernimmt in Marburg eine Produktionsanlage des Schweizer Pharmakonzerns Novartis und rüstet sie in kurzer Zeit für die Produktion des Impfstoffs um – was übrigens der Minister selbst überall voller Stolz verkündet.


Die Bundesregierung hat kurz nach Ausbruch der Pandemie mit der Änderung des fünften Paragraphen des Infektionsschutzgesetzes durch das Erste Bevölkerungsschutzgesetz selbst die gesetzliche Grundlage für die Beschlagnahmung von Medikamenten, Impfstoffen und Schutzmaterial bis hin zu Produktionsstätten, für die Festlegung von Preisen und für die Erzwingung von Lizenzen durch den Gesundheitsminister geschaffen. Und genau diese weitreichende Möglichkeit, die Profitlogik zugunsten des Gesundheitsschutzes zu beenden, war der Grund dafür, dass die Fraktion Die Linke im Bundestag das Erste Bevölkerungsschutzgesetz nicht wie die beiden nachfolgenden ablehnte, sondern sich enthielt. Es scheint, als sei die Bundesregierung nun selbst erschrocken über die antikapitalistische Konsequenz ihres eigenes Gesetzes.


Die Bundesregierung muss jetzt die gesetzliche Grundlage nutzen, die sie selbst geschaffen hat. Sie muss die Hersteller von Impfstoffen zur Vergabe von Lizenzen zwingen, damit die Produktion so schnell wie möglich erhöht werden kann. Tut sie das nicht, riskiert sie bewusst Tausende Menschenleben. Und damit daraus ein Signal für die ärmeren Länder der Welt werden kann, muss die Bundesregierung den Antrag der Regierungen Südafrikas und Indiens an die Welthandelsorganisation unterstützen, den Patentschutz für Impfstoffe, Medikamente und Schutzmaterial gegen Covid-19 so lange weltweit aufzuheben, bis die Pandemie beendet ist.

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