In Krankenhäusern, Arztpraxen, in Pflegeheimen, bei ambulanten Pflegediensten und in den (physio-)therapeutischen Praxen: Überall fehlen Schutzausrüstung und Atemmasken. Die späte Reaktion der Bundesregierung auf diesen Notstand in der Krise gefährdet Patient*innen, Pflegekräfte, Ärzt*innen, Therapeut*innen und alle anderen in der Gesundheitsversorgung tätigen Menschen. Der Markt hat hier gleich doppelt dabei versagt, überlebenswichtige Güter in ausreichendem Maße zu produzieren und zu verteilen. Für die Krankenhäuser, die im Wettbewerb untereinander bestehen müssen und auf Profit getrimmt wurden, hat es sich schlicht nicht gelohnt, mehr Schutzausrüstung einzulagern, als es für den Alltagsbetrieb notwendig ist. Für die Hersteller hat es sich nicht gelohnt, Schutzausrüstung in ausreichender Menge zu produzieren, da sie weder Vorgaben noch Abnehmer hatten. Die Bundesregierung versucht nun, mit einem sogenannten „Open-House-Verfahren“ schneller an Schutzausrüstung zu gelangen. Sie rückt unter Einbeziehung möglichst vieler Hersteller vom klassischen Vergaberecht ab, sofern die Unternehmen Mindeststandards einhalten und mindestens 25.000 Masken oder Kittel liefern. Diese Maßnahmen werden jedoch nicht reichen, um die Engpässe wirksam zu überbrücken.
Unser Ziel ist es, ALLE Gesundheitseinrichtungen mit Schutzausrüstung und Atemmasken zu versorgen. Dazu zählen nicht nur Krankenhäuser, sondern auch ambulante Pflegedienste, Heime und Reha-Einrichtungen oder Hilfseinrichtungen für Menschen in existentiellen Notlagen. Es darf keine lokalen Unterschiede im Zugang zu Schutzmaterial geben. Aus diesem Grund müssen sie bedarfsgerecht und nicht entlang von Gewinn und Profitinteressen verteilt werden. Um dies zu erreichen, muss der Staat, wenn es nicht anders geht, durch Beschlagnahmung für eine sinnvolle Verteilung sorgen. Dazu wurde die Bundesregierung mit dem Bevölkerungsschutzgesetz in der letzten Woche ermächtigt.
Es ist unerträglich, wie Firmen und Konzerne jetzt aus der Krise Profit herausschlagen! Das zeigt sich aktuell daran, wie die Preise für Schutzausrüstung in die Höhe geschnellt sind. Der Einkaufspreis von FFP2-Atemschutzmasken beispielsweise stieg in wenigen Tagen von 45 Cent auf 13,52 Euro – dies entspricht einem Anstieg um 3000 Prozent! Ware wird nicht oder verspätet geliefert oder weist häufig mangelhafte Qualität auf, teilweise werden sogar Fälschungen teuer verkauft. Bei diesem offenkundigen Missbrauch ihrer Oligopolstellung durch Konzerne muss die Möglichkeit genutzt werden, Schutzmasken und -anzüge dem Markt zu entziehen und stattdessen nach dem Bedarf der Gesundheitseinrichtungen zu produzieren und neu zu verteilen. Bund und Länder müssen sich schnellstens auf sinnvolle Vorgaben zu Herstellung, Beschaffung und (Neu-)Verteilung einigen. Die Hamsterei von Schutzausrüstung muss hart bestraft werden. Firmen, die ihre Marktmacht aus Profitgier mit Wucherpreisen missbrauchen und damit Menschenleben gefährden, müssen unter staatliche Kontrolle gestellt oder enteignet werden. Spätestens jetzt in der Krise müssen soziale Interessen über Profitinteressen gestellt werden.
Mittelfristig müssen wir auch in Deutschland für Notfälle oder weitere Krisen vorsorgen Pandemie- und Notfallpläne dürfen nicht in der Schublade verstauben. Sie müssen anhand wissenschaftlicher Kriterien erprobt und angepasst werden. Darunter fällt auch die beständige Aktualisierung der Lagerbestände von Schutzausrüstung – all dies hat die Bundesregierung versäumt. Und doch sind auch die besten Pandemie-Pläne nicht ausreichend, um die Gesundheit der Menschen zu schützen, wenn der Zugang zu Gesundheitsleistungen durch den Wettbewerb gesteuert wird. Die Bundesregierung muss endlich umdenken und erkennen, wie wichtig ein solidarisch ausgerichtetes Gesundheitssystem für unser aller Leben ist – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Zum Nutzen aller gehört das Gesundheitssystem in die öffentliche Hand. Dabei sollten wir mit den Krankenhäusern beginnen.
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